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Mittags und Nachts einen künstlichen Hahn krähen läßt. Der Bau
des Straßburger Münsters begann unter dem Meister Erwin von
Steinbach im Jahre 1276 und wurde vollendet durch den Meister
Johann Hülz von Köln im Jahre 1439. — Die bedeutendste
Fabrikstadt des Elsaß ist Mülhausen, an der Jll, mit 52,000
Einwohnern. Es liefert Seiden-, Baumwollen- und Wollen-
zeuge und besitzt großartige Zeugdruckereien, Färbereien und
Bleichen. Auch die Fabrikation in Metallwaaren und Leder-
arbeiten ist sehr bedeutend. — Fast in der Mitte zwischen Straß-
burg und Mülhausen liegt in einer sehr schönen Gegend Colmar,
früher freie deutsche Reichsstadt, jetzt Hauptstadt des Bezirks Ober-
Elsaß, mit 24,000 Einwohnern. Nordwestlich von Straßburg, am
Fuße der Vogesen, liegt in schöner Gegend die Stadt Zabern, mit
6000 Einwohnem. Von hier führt ein schlangenförmig angelegter Weg,
die „Zaberner Stiege", mit 17 verdeckten, gemauerten Brücken
über die Vogesen nach Lothringen. Auch die Eisenbahn, welche,
von Straß-burg kommend, hier die Vogesen überschreitet, hat bedeutende
Brücken, Dämme, Tunnels und Viadukte. Außer diesen Städten
können hier nur noch genannt werden: Hagenau, durch seinen herrlichen
Wald, den „Hagenauer Forst", die reichste Stadt im Elsaß, mit
11,000 Einwohnern — Bischweiler, mit einträglichem Hopsenbau, be-
deutenden Tuchfabriken und 10,000 Einwohnern — und die Festungen
Schlettstadt, mit 11,000 und Neubreisach, mit 2000 Einwohnern.
— Bei den Städtchen Weißenburg und Wörth erfochten die deut-
schen Heere am 4. und 6. August 1870 die ersten Siege über die Fran-
zosen, wovon ihr in der vaterländischen Geschichte mehr erfahren werdet. —
Die Hauptstadt von Lothringen, Sitz eines katholischen
Bischofs, ist die alterthümliche Stadt und starke Festung Metz, an
der Mosel, über welche hier 14 Brücken führen. Unter den Kirchen der
Stadt zeichnet sich der großartige Dom aus. Als freie deutsche Reichsstadt
war Metz vom 11. Jahrhundert an von der größesten Bedeutung und
konnte sich an Macht, Reichthum und Glanz mit Frankfurt, Augs-
burg und Aachen vergleichen. Die glänzendsten Tage feierte die
Stadt und Bürgerschaft um Weihnachten des Jahres 1356, als der
deutsche Kaiser Karl Iv. hier den großen und berühmten Reichstag
abhielt, auf welchem die „goldene Bulle", ein Reichsgrundgesetz
über die Kaiserwahl und die Rechte der Kurfürsten, verkündigt wurde*).
Jetzt hat die Stadt Mer 51,000 Einwohner und besitzt bedeutende
gewerbliche Anstalten: zahlreiche Gerbereien, Glasmalereien,
Waffen-, Leinwand-, Flanell-, Seidenplüsch-, Hut- und
Blumensabriken. Daß nach drei siegreichen Schlachten, am 14.,
16. und 18. August 1870, die deutschen Heere eine französische Armee
in Metz eingeschlossen und am 27. Oktober gefangen genommen haben,
wird euch in der vaterländischen Geschichte ausführlicher erzählt. —~
*) Siche Erster Abschnitt Iv., S. 235.
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Extrahierte Personennamen: Erwin_von
Steinbach Johann_Hülz Johann August Metz Karl_Iv Karl August
- 79 -
Nördlich von Metz liegt an der Mosel die Festung Diedenhofen*),
mit 7000 Einwohnern und bedeutenden Brauereien und Gerbereien.
Unter den übrigen Städten Lothringens sind die bedeutendsten: Saar-
gemünd, mit 7000 Einwohnern — Forbach, mit 5000 Einwohnern
— Salzburg, mit ergiebigen Salzquellen, Gyps- und Steinbrüchen —
und die Festungen Pfalzburg und Bitsch.
Von den Bewohnern des Reichslandes bekennen sich etwa Vs zur
katholischen, V4 zur evangelischen und 50,000 zur jüdischen
Religion.
Seit 1552 hatten die Franzosen im Laufe zweier Jahrhunderte
Elsaß und Lothringen, — nicht auf einmal, sondern ein Stück nach
dem andern —, vom deutschen Reichsverb ande losgerissen und mit
Frankreich vereinigt. Aber in dem siegreichen Kriege 1870—71 sind
dieselben von den Deutschen zurückerobert und durch ein Reichsgesetz
für immer wieder mit dem deutschen Reiche vereinigt worden.
Troß all der Mittel, welche die französische Regierung angewendet
hatte, die Bewohner von Elsaß-Lothringen zu französiren, haben
das deutsche Haus und das deutsche Gemüth sich deutsche
Sprache und deutsche Sitte zum größten Theile erhalten und werden
im Bunde mit deutscher Schulbildung wieder beleben, was wäh-
rend einer jahrhundertlangen Entfremdung vom Mutterlande zu ver-
kümmern versucht worden ist: Liebe zum gemeinsamen deutschen
Vaterlande.
61. Meister Erwins Heerschar
Zur mitternächtigen Stunde
Da regt sich's zu Straßburg im Dom;
Es ftetgert die Bauherrn zur Zinne
Und schauen hinüber zum Strom.
Und unter ihnen der Meister
Ruft weit in das Land hinein:
„Wann kommen die Deutschen wieder,
Du alter Vater Rhein?
Wann hallt in den Gassen d'runten
Der Deutschen Rosse Huf?
Wann ragt in Deutschland wieder
Das Bauwerk, das ich schuf?
Wann werden die Retter kommen,
Daß endlich der Bann zerreißt,
Daß frei von den welschen Banden
Sproßt wieder der deutsche Geist?"
Er rief es seit langen Jahren,
Er ries es in jeder Nacht;
Doch die Wellen zogen vorüber,
Sie hatten sein mcht Acht.
Sie zogen seit langen Jahren
An Straßburg's Wällen vorbei;
Doch die Deutsch en schliefen u. z ankten, —
Und Straßburg ward nicht freit
Zur mitternächtigen Stunde
Ruft wieder der Meister einmal,
Er ruft es mit lauter Stimme
Hinauf und hinab durch's Thal.
Und horch, es regt sich und flüstert.
Und bebt durch das weite Land,
Herab von Helvetien's Bergen
Bis zum fernen Meeresstrand.
Da tönt es wie freudiges Rufen
Heraus aus dem wogenden Strom,
Und über die Wälle und Zinnen
Erklingt es hinaus zum Dom:
„Sie kommen, alter Geselle!
Es werden die Deutschen wach;
Sie kommen aus allen Gauen,
Zu sühnen die alte Schmach!
*) Von den Franzosen Thionville, sprich: Thiongwil, genannt.
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Extrahierte Personennamen: Metz
Extrahierte Ortsnamen: Lothringens Forbach Salzburg Lothringen Frankreich Rhein Deutschland
265
und Frauen schnitten Verlandstücke vorschriftsmäßig zurecht, oder sie
strickten und nähten für die Soldaten. In den großen Niederlagen, die
kaum ausreichten, die zahlreichen Liebesgaben zu bergen, waren vom
Morgen bis zum Abend treue Frauenhände thätig, die geschenkten
Wäschegegenstände zu zählen und zu ordnen; andere arbeiteten an Näh-
maschinen, um die erforderlichen Hemden, Binden, Jacken u. s. w.
anzufertigen; noch andere nahmen die für die Soldaten eingehenden
Postsendungen entgegen, um sie zu ordnen, zu packen und auszuliefern.
Mit den Frauen wetteiferten in zahllosen Vereinen die Männer und
Jünglinge, sich dem friedlichen Dienste des Vaterlandes zu widmen.
Und während die Reichen große Summen hergaben, fehlte es keineswegs
an Armen, die in rührender Weise auch ihr Scherflein beisteuern wollten.
Selbst in Amerika und andern fernern Landern sammelten die dort
wohnenden Deutschen und sandten reiche Liebesgaben nach ihrem be-
drohten Vaterlande.
So stand in den ersten Tagen des August das ganze deutsche Volk
in seinem Kriegs- und Friedensheere gerüstet da, fest entschlossen,
das Vaterland gegen einen übermüthigen und ungerechten Angriff mit
Gut und Blut zu vertheidigen und die Noth des Krieges nach Mög-
lichkeit zu lindern.
37. Die ersten Siege bei Weißenbttrg, Wörth und
Saarbrücken - Spicheren.
(4. u. 6. August 1870.)
In wenigen Tagen waren die deutschen Heere marschbereit und
zogen auf Landstraßen und Eisenbahnen, Regiment auf Regiment, nach
dem Rhein und über'n Rhein. Habt Ihr sie gesehen, diese Infanterie,
Kavallerie und Artillerie mit ihren Kanonen? und gehört, mit
welcher Begeisterung sie sangen:
»Lieb Vaterland, magst ruhig sein;
Fest steht und treu die Wacht am Rheinl"?
Drei Armeen wurden zusammengezogen: die erste, der rechte
Flügel, 130,000 Mann stark, unter dem Oberbefehl des General
von Steinmeh, bei Trier bis Saarbrücken, — die zweite, das
Centrum, mit den Truppen des Königreichs Sachsen 140,000
Mann, unter Prinz Friedrich Karl, in der bayerischen Pfalz, — die
dritte, der linke Flügel, mit den süddeutschen Truppen 150,000
Mann, unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, an der Nordgrenze
des Elsaß.
Den Oberbefehl über das gefammte deutsche Heer führte König
Wilhelm als Bundesfeldherr. Nachdem derselbe in dem Ver-
trauen, daß an Gottes Segen alles gelegen ist, auf den 27. Juli einen
allgemeinen Bettag angeordnet hatte, begab er sich am 31. Juli nach
Mainz und erließ von hier aus am 2. August nachstehende Prokla-
mation'^) an die Armee:
Proklamation — Ausruf, Bekanntmachung.
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Extrahierte Personennamen: August August Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm August
269
Bataillone werden hinweggemäht,
Schwadronen vernichtet — die Schlacht sie steht!
Mit Trauern sieht es der König.
Die Kugel zischt, die Kanone kracht,
Die Mitrailleuse zerschmettert mit Macht.
Schon sind Regimenter in Splitter zerschellt,
Und immer neue rücken in's Feld,
Sie stürmen hinan die tödtlichen Höh'n,
Sie stürmen und sallen — die Schlacht bleibt steh'n l
Mit Trauern sieht es der König.
Die Sonne neigt sich — noch steht die Schlacht!
Was dröhnet dort dumpf aus der Waldesnacht?.
In blauen Säulen lautlos und stumm
Bricht's vor und schwenkt sich mächtig herum,
Die Erde zittert — Feind, zitt're mit! —
Es ist der wuchtige Massenschritt
Der pommerschen Grenadiere'
In breiten Kolonnen Mann an Mann,
Im Sturmschritt geht es die Höhen hinan.
Es kracht keine Salve, es füllt kein Schuß,
Bajonett und Kolben sie machen den Schluß,
Die Schlacht rückt vorwärts, es weicht der Feind —
Sie haben's ihm gar zu ernst gemeint
Die pommerschen Grenadiere.
Und nun mit Hurrah! hinter ihm drein,
Und werft ihn vollends in Meß hinein!
Kanonen blitzen noch durch di? Nacht,
Das grause, das Llut'ge Werk ist vollbracht.
Die Schlacht ist gewonnen, verloren Bazame —
Im Auge des Königs die Thränen steh'n:
Gott lohn euch, ihr tapfern Todten! (Franz Iahn)
60. Die Gefangennahme des Kaisers bei Sedan.
(2. Septbr. 1870.)
Der Kaiser Napoleon hatte Metz schon am 16. August ver-
lasien und sich ins Lager von Chalons begeben, wo Mac Mahon
wieder eine Armee von 150,000 Mann gesammelt hatte. Nachdem
Prinz Friedrich Karl mit einem Theile seiner Armee die Cernirung*)
von Metz übernommen, und nachdem unter dem Oberbefehl des Kron-
prinzen von Sachsen eine neue, vierte Armee gebildet worden war,
setzte die Hauptmacht der deutschen Heere ihren Vormarsch nach Westen,
auf Paris zu, fort.
Der Kronprinz von Preußen hatte bereits das von Mac Mahon
verlassene Chalons erreicht, als man erfuhr, dieser habe sich nicht nach
Paris zurückgezogen, sondern nach Norden rechts abgeschwenkt, um im
Rücken der vordringenden deutschen Armeen auf Umwegen an der belgi-
schen Grenze vorbei nach Metz zu marschiren und die dort einge-
schlossene Armee Bazaine's zu befreien. Sobald die deutschen Heer-
führer hiervon Kunde erhielten, wurde in einem am 25. August ab-
*) Cernirung = Umkreisung, Einschließung einer Festung.
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Extrahierte Personennamen: Franz_Iahn Franz Napoleon August Chalons Friedrich_Karl Friedrich Karl Metz August
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Mahon Sachsen Paris Paris
270
gehaltenen Kriegsrathe beschlossen, den französischen Marschall aufzu-
suchen und abzufangen, bevor er Metz erreichen könne. Schon am
27. August bekamen unsere kühnen und flinken „Ulanen" „Fühlung
mit dem Feind"; am 29., 30. und 31. August kam es an verschie-
denen Punkten zu ernsten Gefechten, und am 1. September wurde
die Hauptschlacht, die weltberühmte Schlacht Lei Sedan*) geschlagen.
Der Mittelpunkt der Aufstellung des Feindes war die Stadt
Sedan. Von y27 Uhr Morgens bis 1 Uhr Nachmittags wurde mit
äußerster Heftigkeit gekämpft und der Feind immer mehr auf Sedan
zurückgedrängt. Wie zwei riesige Arme legten sich die deutschen Armeen
um den französischen Heerkörper, ihn fest und immer fester umschnürend,
bis die Finger der Riesenarme sich berührten. Um 2 Uhr war die
Umzingelung vollendet. Im heftigsten Kampfe drangen jetzt die deut-
schen Heere von allen Seiten unaufhaltsam vor. Die Franzosen,
ringsum von den Höhen herabgeworfen, hatten nur noch eine einzige
Zufluchtsstätte, die Festung Sedan. Einem umstellten Löwen gleich,
versuchten sie bald hier, bald dort einen Vorstoß zu machen; aber
überall wurden sie in den Kessel zurückgetrieben, wo Tod und Ver-
derben ihrer wartete. Auf einem verhältnißmäßig kleinen Raum kämpften
hier 350,000 Mann, die Deutschen siegesgewiß heranstürmend, die
Franzosen trotzig jeden Fuß Raum auf das äußerste vertheidigend. Im
Norden und Westen stürmte der Kronprinz von Preußen, im
Süden General von der Tann mit den Bayern auf sie ein; süd-
östlich standen die Sachsen und im Norden und Nordosten die preu-
ßische Garde unter dem Kronprinzen von Sachsen. Über
dem da unten ringenden Menschenknäuel lag eine weiße Wolke,
aus der von den Höhen herab unsere Artillerie unaufhörlich
donnerte und blitzte, bis der Feind gegen 4 Uhr in die enge
Festung Sedan zurückgeworfen war. „Großer Sieg!" ließ der
Kronprinz um diese Zeit ins Hauptquartier melden. Gegen Ü Uhr
begann die Beschießung von Sedan, und erst als die Flammen in der
Stadt emporschlugen und der Feind in Todesangst die weiße Fahne
aufzog, erst jetzt kam mit dem Parlamentär**) zugleich die über-
raschende Kunde, daß der Kaiser Napoleon sich inmitten der Besatzung
von Sedan befinde. Der Jubel unter den Truppen bei dieser Nach-
richt war unbeschreiblich. Stürmische Hurrah's wechselten mit der
Volkshymne und der Wacht am Rhein, und in den Augen der Schwer-
verwundeten, der Sterbenden erglänzte ein lichter Freudenstrahl. Gegen
Abend erschien ein französischer General und überbrachte dem Könige
ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers, das mit den.worten begann:
,Da es mir nicht vergönnt war, an der Spitze meiner Armee
zu sterben, so lege ich meinen Degen zu Eurer Majestät
Füßen." -
•) Sprich: Sedan». _ _
•*j Parlaments, da Unterhändler, ei» -riegsbete »m Unterhandlung Ich er Waffe»stil>
stand oder Ergebung.
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Extrahierte Personennamen: August August Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Sedan Sedan Sachsen Sachsen Sedan Sedan Sedan Rhein
275
Muthes. Die Armee ist voll Entschlossenheit. 300,000 Mann sind
bereit, Paris bis zum Aenßersten zu vertheidigen. Sollte aber Paris
unterliegen, so wirb Frankreich es zu rächen wissen." — Im großartigsten
Maßstabe wurde die Massenbewaffnung betrieben: alle Männer von
20 bis 40 Jahren wurden einberufen, in die Armee einzutreten, um den
Feind bis zum letzten Mann aus Frankreich zu vertreiben.
Im deutschen Hauptquartier stand nach diesen Vorgängen die Über-
zeugung fest, daß der Krieg jetzt mit verdoppelter Kraft fortgesetzt
werden müsse und daß ein ehrenvoller und dauernder Friede nur in
dem eroberten Paris geschlossen werden könne. — „Eilgut nach
Paris!" hatten deutsche Truppen scherzhaft auf die Eisenbahnwaggons
geschrieben, als sie durch die deutschen Gaue fuhren. Dies Wort ging
jetzt in kurzer Zeit in Erfüllung. Auf verschiedenen Straßen begann
die.hauptmacht des deutschen Heeres von Sedan aus ihren Vormarsch
auf Paris. Husaren und Ulanen trabten voraus; zersprengte fran-
zösische Freischaaren und Mobilgarden erschreckten die Städte, die oft
wenigen deutschen Reitern ihre Thore öffneten. Ungeachtet der vielen
Hindernisse, welche aufgerissene Eisenbahnen und zerstörte Brücken dem
deutschen Heere in den Weg legten, schwärmten schon am 15. Septenrber
die Ulanen in den Dörfern vor Paris, das Herannahen des deutschen
Heeres verkündend. Am 19. September war die Einschließung von
Paris vollendet. Ein Versuch, die Belagerung zu verhindern, endete
damit, daß die Franzosen mit einem Verlust von 1000 Mann und
7 Kanonen in die Flucht geschlagen und hinter die Festungswerke ge-
jagt wurden. Im Norden, Osten, Süden und Südwesten standen jetzt
dicht die deutschen Armeen und im Nordwesten hatte die Kavallerie alle
Verbindungen nach Außen abgeschnitten. Die ungeheure Riesenstadt mit
nahezu 2 Millionen Einwohnern und einer Besatzung von 3- bis
400,000 Mann, die Stadt, von der man sagt: „Paris ist Frank-
reich!" — sie lag da, sich selbst überlassen, eingeschlossen durch ein
Heer von 250,000 Mann der deutschen Truppen. — Ein Theil der
neuen Regierung, Gambetta an der Spitze, verließ vermittels eines
Luftballons Paris und verlegte seinen Sitz nach Tours*). — Am
5. Oktober nahm König Wilhelm sein Hauptquartier in dem Schlöffe
zu Versailles**).
Je weiter aber die Hauptmacht der deutschen Armeen in Frankreich
eingedrungen war, desto schwieriger wurden die Verhältniffe in ihrem
Rücken. Hier mußten die eroberten Landestheile, die Haupt-
straßen und Eisenbahnen besetzt werden zur Sicherung der Trans-
porte von Truppen und Kriegsmaterial, von Kranken und Lebens-
mitteln. Zudem ist Frankreich nach der deutschen und belgischen
Grenze hin mit kleinern und größer» Festungen gleichsam übersäet,
die alle von französischen Truppen besetzt waren und daher eingeschlossen
und belagert werden mußten. Die bedeutendsten derselben sind —
*) Sprich: Tuhr.
**) „ Werßatj.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Frankreich Paris Paris Sedan Paris Paris Paris Frank- Gambetta Paris Frankreich Frankreich
276
außer Paris — Meß und Straßburg. Schon gleich nach der
Schlacht Lei Wörth hatte der Kronprinz einen Theil seiner Armee
nach Straßburg kommandirt, um die Festung einzuschließen. Erst nach
einer 6-wöchentlichen Belagerung und einem heftigen Bombardement*)
kapitulirte die Besatzung, als die Noth in der Stadt aufs höchste
gestiegen war, am 28, September. Ganze Stadtviertel lagen in
Trümmern; aber der altehrwürdige Dom stand noch fast unbeschädigt
und schaute hinaus auf das deutsche Heer, welches jetzt wieder ein-
zog in die „wunderschöne deutsche Stadt", die im Jahre 1681
durch List und Betrug an Frankreich gekommen war. — 450 Offiziere,
17,000 Mann, 1200 Kanonen, 1800 Pferde nebst allem Kriegs-
material fielen den Siegern in die Hände. — Am 27. Oktober kapi-
tulirte auch die seit dem 18. August von der Armee des Prinzen
Friedrich Karl eingeschlossene Festung Metz. Die wiederholten Ver-
suche Bazaine's, durch Ausfälle die Einschließung zu durchbrechen,
wurden jedesmal siegreich zurückgeschlagen, und als endlich in der Stadt
alle Lebensmittel aufgezehrt waren und Bazaine wohl noch Befehle,
aber kein Brod mehr zu geben hatte, mußte er die starke Mosel-
festung mit 6000 Offizieren, worunter 3 Marschälle, 173,000 Mann,
1300 Kanonen, 102 Mitrailleusen, 300,000 Gewehren und dem ge-
sammten Kriegsmaterial dem Sieger übergeben. Die alte deutsche Stadt,
welche Frankreich im Jahre 1552 durch Verrath und blutige Gewaltthat
dem deutschen Reiche entrissen hatte, war wieder in deutschen Händen.
Unterdessen hatte Gambetta vier neue Armeen zusammengebracht,
von denen drei (aus Norden, Westen und Süden) auf Paris
marschiren und die Hauptstadt von der eisernen Umarmung der Belagerer
befreien, die vierte aber, die Ostarmee, die belagerte Festung Belfort
entsetzen, im Süden von Elsaß über den Rhein dringen und in Baden
einfallen sollte.
Am 28. November und am 3. und 4. Dezember wurde die fran-
zösische Südarmee (Loire-Armee) von dem Prinzen Friedrich Karl
bei Beaune la Rolande**) und Orleans — die Westarmee am
12. Januar von demselben bei Le Mans***) — die Nordarmee
am 23. Dezember von dem General von Manteuffel bei Annens^)
und am 19.Januar von dem General von Goeben bei St. Quentin^)
geschlagen — und die Ostarmee nach einer dreitägigen Schlacht vor Bel-
fort ^ttt) am 15., 16. und 17. Januar von dem General von Werder
besiegt und, 80,000 Mann stark, über die Schweizer Grenze gedrängt.
Nachdem die deutschen Heere in diesem, 7 Monate langen Kriege über-
haupt 156 mehr oder minder bedeutende Gefechte bestanden, 17 größere
•) Sprich: Dombardemang --- Beschießung einer Festung mit Bomvea (Platz- ob«
Feuerkugeln).
**) Sprich: Bahn la Rolangd.
***) „ Sb Mang.
t) „ Amieng.
ft) h Säng Kangtünz.
ftt) „ Belfor.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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TM Hauptwörter (200): [T141: [Armee Metz General Paris Schlacht August Mac Franzose Mahon Festung], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff]]
Extrahierte Personennamen: August Friedrich_Karl Friedrich Karl Friedrich_Karl
bei_Beaune Friedrich Karl Le_Mans*** Manteuffel
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Frankreich Paris Rhein Baden Westarmee
Schlachten geschlagen, 26 ^festigte Plätze eingenommen, 11,760 Offiziere,
363,000 Mann zu Gefangenen gemacht, über 6700 Geschütze, 120 Adler
oder Fahnen erbeutet und mehr denn ein Drittel von ganz Frankreich
erobert hatten; — nachdem auch vor Paris während einer Belagerung
von 4 Monaten 22 größere Ausfallgefechte siegreich zurückgeschlagen, die
Stadt vier Wochen lang bombardirt worden und endlich in derselben der
gefährlichste aller Feinde, der Hunger, an mehr denn zwei Millionen
Menschen unerbittlich herantrat: — da war auch die stolze Haupt-
stadt, die größte Festung der Erde, bezwungen und mußte sich am
28. Januar 1871 ergeben. Eine Besatzung von 400,000 Mann
lieferte ihre Waffen ab und blieb kriegsgefangen in Paris, während
die deutschen Truppen alle Forts rings um die Stadt besetzten. Ein
Waffenstillstand von 4 Wochen war bewilligt worden, um in dieser
Zeit die Friedensverhandlungen zu Ende zu führen. Zu diesem Zwecke
wurde eine neuenationalversammlung gewählt, dieinbordeaux*)
zusammentrat und eine neue Negierung einsetzte, an deren Spitze
Thiers**) stand. Die im Hauptquartier zu Versailles von dem
Grafen Bismarck mit Thiers abgeschlossenen Friedensbedingungen
wurden am 1. März von der National-Versammlung genehmigt, und an
demselben Tage hielten 30,000 Mann deutscher Truppen ihren Einzug
in Paris. Nach den Friedensbedingungen mußte Frankreich ganz Elsaß
(mit Ausnahme von Belfort) und Deutsch-Lothringen mit Metz
an das deutsche Reich abtreten und 5,000,000,000 Francs ***)
(— 1333v8 Millionen Thaler) Kriegskosten bezahlen.
Mit lautem Jubel, mit Böllerschüssen, Fahnenschmuck und Glocken-
geläute wurde die ersehnte Friedensnachricht in ganz Deutschland be-
grüßt, — und freudig gehobenen, dankerfüllten Herzens gedachte man
daheim der braven und heldenmüthigen Sieger, der mit unvergänglichen
Ehren gekrönten, unsterblichen „Wacht am Rhein".
66. Wo -re Wacht?
„Der Rhein, Deutschlands Strom,
Nicht Deutschlands Grenze."
ffxjzx yigein, au“uiju)Iuuvv
Nicht Deutschlands Grenze.'
(E. M. Arndt.)
Wir alle, sagt das Lied,
Wir alle, sagt das Lied,
Dem selbst des Amts zu walten
Ein güt'ger Gott beschul».
Die Wacht am Rheine halten
halten Drum höret meine Bitte,
Juuhv
Folgt meinem Rathe gern:
Sonst war der Wacht beflissen
Zurück die Wacht geschoben
Nun in die alte Mark;
Die blauen Höhen droben
Sie sind zu hüten stark.
*) Sprich: Bordo.
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Extrahierte Personennamen: Thiers Iuuvv Arndt Bordo
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Paris Paris Paris Frankreich Belfort Deutschland Rhein" Rhein Deutschlands Deutschlands Deutschlands Rheine
26b —
„Ganz Deutschland steht einmüthig in den Waffen gegen einett Nachbar,
der uns überraschend und ohne Grund den Krieg erklärt hat. Es gilt die
Vertheidigung des bedrohten Vaterlandes, unserer Ehre, des eigenen Herdes.
Ich übernehme heute das Commando über dre gesammten Armeen und ziehe
getrost in einen Kampf, den unsere Väter in gleicher Lage einst ruhmvoll be-
standen. Mit mir blickt das ganze Vaterland vertrauensvoll aus Euch. Gott
der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein."
Unterdeffen hatten die Feindseligkeiten bereits begonnen. Am
2. August rückte eine starke französische Heeresabtheilung (30,000
Mann) gegen die offene Stadt Saarbrücken, in welcher sich nur
ein preußisches Bataillon (750 Mann) und drei Ulanen-Schwadronen
befanden, die sich erst nach dreistündigem Feuer vor der Übermacht
zurückzogen. Das nannten die Franzosen die „große Schlacht" bei
Saarbrücken, bei welcher der Kaiser selbst zugegen war und sein 14jäh-
riger Sohn, Prinz „Lulu", die „Feuertaufe" erhielt, „indem er eine
vor ihm niederfallende Kugel aufhob," wie Napoleon an die
Kaiserin nach Paris berichtete. — Aber es kam bald anders!
Die drei deutschen Heersäulen waren fetzt in ihren Stellungen an
der Grenze Frankreichs angekommen. Vor Überschreitung derselben erließ
der Kronprinz an seine Armee eine Proklamation, worin er hervorhob,
daß er „mit Stolz und Freude an der Spitze der aus allen Gauen
Deutschlands vereinten Söhne gegen den Feind gehe." „So wollen
wir," heißt es am Schluß, „aushalten in treuer Waffenbrüderschaft und
mit Gottes Hülfe unsere Fahnen zu neuen Siegen entfalten für des ge-
einigten Deutschlands Ruhm und Friede." — Am Morgen des 4. Au-
gust rückte seine Armee aus der Pfalz in das Elsaß ein und stieß hier
bei Weißenburg auf den Feind. Die Bayern stürmten die Thore
der Stadt und in derselben kam es zu einem heftigen Straßenkampf.
Jetzt rückten Ne Preußen heran mit dem Rufe: „Drauf! Es gilt, den
Bayern Hülfe zu bringen! Sie müssen wissen, daß auf uns Preußen
Verlaß ist!" Um 111/» ^)r waren die Franzosen aus Weißenburg
vertrieben und um 1 Ubr der Feind aus seiner festen Stellung auf dem
nahen Gaisberg trotz Chassepots*), Mitrailleusen**), Zuaven
und Turkos***) in die Flucht geschlagen. — Noch am selbigen Tage
telegraphirte der König Wilhelm an die Königin Augusta:
„Unter Fritzens Augen heute einen glänzenden aber blutigen Sieg erfochten
durch Stürmung von Weißenburg und des dahinter liegenden Gaisoerges.
Feind in Flucht, 800 Gefangene, 1 Kanone und das Feldlager in unsern
Handen. Gott sei gepriesen'für die erste glorreiche Wasfenthat! Er helfe
w etter I Wilhelm."
Und Gott half weiter. Zwei Tage später, am 6. August, traf der
Kronprinz mit seiner vorrückenden Armee bei Wörth auf die Hauptmacht
des Feindes, unter dem Oberbefehl des Marschall Mac Mahon. In
der Stadt und auf steil ansteigenden Höhen, die an den Abhängen mit
Weinreben bewachsen und oben bewaldet waren, hatten die Franzosen ge-
*) Sprich: Schaßpo — französische Infanterie-Gewehre.
* ) ii Mitraijösen — Kugelspritzen
-) „ Türke — braune oder schwarze halbwilde Krieger, die sich Napoleon aus Afrika
halte herüberkommen lassen.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: August Napoleon Wilhelm Wilhelm August Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Paris Frankreichs Deutschlands Gottes Deutschlands Weißenburg Weißenburg Gaisberg Weißenburg Mahon Afrika
267
schützte Stellung genommen. Gegen 3 Uhr Morgens eröffneten unsere
Truppen den Kampf; sie warfen den Feind auf Wörth und zwangen ihn
zum Rückzug auf die gegenüberliegenden Höhen. Mit einem furchtbaren
Hagel von Kugeln wurden hier die nachrückenden Deutschen empfangen.
Zwei-, drei-, ja an einigen Stellen viermal wurden sie zurückgeworfen.
Hunderte wurden niedergeschmettert. Aber immer wieder mit „Hurrah!"
vorwärts ging's, die Offiziere voran, eine unerbittliche, geschloffene, blaue
Linie. Nachmittags 4 Uhr war die ganze Armee Mac Mahons in die
Flucht geschlagen. Der Verlust des Feindes betrug 12,000 Todte und
Verwundete und 10,000 unverwundete Gefangene, darunter 100 Offiziere.
Außerdem eroberten die Sieger 2 Adler, 35 Kanonen, 6 Mitrailleusen,
42 Wagen und über 200 Pferde. Von den Würtembergern wurde
bei der Verfolgung noch die Kriegskaffe mit 360,000 Franken erbeutet.
Aber auch deutscher Seits kostete dieser Sieg große Opfer: 5000 Todte
und Verwundete, meist Preußen und Bayern, die hier ihre Waffenbrüder-
schaft aufs neue mit ihrem Blute besiegelt hatten.
Wenden wir uns jetzt wieder einen Augenblick nach Saarbrücken!
An demselben 6. August, wo der Kronprinz bei Wörth Mac Mahon
schlug, erfocht der General von Steinmetz auf dem Spicherenbcrge
bei Saarbrücken einen so entscheidenden Sieg über den französischen
General Frossard, daß dieser mit seiner ganzen Armee über For-
bach und Saargemünd sich nach Metz zurückziehen mußte.
Der Verlust der Franzosen in dieser Schlacht und auf dem in Flucht
übergehenden Rückzug betrug 12,000 Verwundete, Todte und Gefangene,
mehrere Geschütze, 40 Pontons*) und ganze Wagenzüge von Kriegs-
material, Mehl, Brod und Wein. Aber auch die Preußen hatten den
Sieg mit 6000 Todten und Verwundeten erkaufen müssen.
„Saarbrück und Wörth, wir schlugen
Zwei Heere gar zugleich,
Da zittert in den Fugen
Das zweite Kaiserreich." —
38. Die dreitägige Schlacht bei Metz.
(14., 16. und 18. Aug. 1870.)
Nach den vernichtenden Schlägen vom 6. August hatten sich die
französischen Heere in Eilmärschen theils nach Metz, theils nach Nanzig
und dann nach Chalons**) zurückgezogen. Auf drei Linien waren
die deutschen Armeen an die Mosel gerückt: die erste unter General
v. Steinmetz geradezu auf Metz — die zweite unter Prinz
Friedrich Karl mehr südlich auf Pont ä Mousson***) — die dritte
unter dem Kronprinzen noch weiter südlich auf Nanzig.
Die bei Metz versammelte französische Heeresmacht betrug über
150,000 Mann und stand unter dem Oberbefehl des Marschalls
Vazainesi). Derselbe hatte die Absicht, die Mosellinie ganz preis-
*') Wrkckenschifft-.
*') Sprich: Schalung. ,
***) „ Mnßong.
t) „ Basän,
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: August Metz August Friedrich_Karl Friedrich Karl Metz